Nick Eakins

Ladakh – traumhafte Landschaften, Tempel und Tibeter

Die Zeit drängt ein wenig, es ist bereits Mitte September und um nach Leh zu gelangen, müssen wir die höchsten befahrbaren Pässe dieser Erde überwinden.

Nachdem wir in Manali, die Genehmigung für die Fahrt nach Leh eingeholt hatten, starten wir in Richtung Norden in den indischen Himalaya nach Ladakh. Dies war einmal ein eigenständiges Königreich und ist nun ein Teil des indischen Staates Jammu und Kaschmir, der Name bedeutet so viel wie Land der hohen Pässe. (La = Pass, dakh = Land)

Es gibt noch viele Zweitnamen für Ladakh, wie z. B. Kleintibet, Westtibet oder Indisch-Tibet, aber Ladakh ist eine eigenständige Region und nicht Tibet, auch wenn viele Exiltibeter und der Dalai Lama momentan hier ihren Wohnsitz haben.

Zuerst überqueren wir den Pass Rohtang La, mit knappen 4.000 m einer der niedrigen Pässe, viele Inder aus dem Süden tummeln sich hier in Schneeanzügen und machen Fotos. Für die Meisten ist es das erste Mal im Leben, dass sie Schnee sehen. Die Anzüge können im Tal an unzähligen Ständen gemietet werden, soweit wir das überblicken können handelt es sich meist um ältere, abgewetzte, gebrauchte Ski Overalls aus Europa oder USA.

In einem Reisebericht über die Fahrt nach Leh und Ladakh wurde diese mit ‚The Beauty and the Beast‘ verglichen, wobei die Landschaft die Schöne und die Straße das Beast war und tatsächlich machen wir auf der nördlichen Passabfahrt vom Rohtang La erste Erfahrungen über den Straßenzustand. Unser Beast wird mit samt den Insassen gut durchgeschüttelt, die Straßen sind meist unbefestigt und schmal, durch Regen und Wasser, das von überall auf die Piste läuft, ist diese matschig und rutschig, durch das starke Gefälle wird die Abfahrt zu einem gefährlichen Unterfangen, das zeigen auch die zahlreichen gechrashten Fahrzeuge und überschlagenen Busse oder LKW´s am Straßenrand.

Für die ca. 480 km von Manali nach Leh brauchen wir zweieinhalb Tage, außer dass die Straßen schlecht sind, behindern uns Militärkonvois, die mit fast 100 Fahrzeugen auf der Strecke unterwegs sind, sowie die zahlreichen Trucks und Taxen. Überholen ist kaum möglich und wenn ein LKW oder anderes Fahrzeug entgegenkommt, beginnt eine Art Machtkampf. Es wird die Lichthupe wie wild betätigt,  gehupt, aber nicht gebremst, denn wer bremst verliert. Die LKW haben aufgrund ihrer Größe einen klaren Vorteil. Wenn einer entgegenkommt, heißt es für uns links ranfahren, aber selbst wenn wir in einer Einbuchtung stehen, kommen einige Trucks nicht vorbei. Die alten Gefährte oder selbst ausgebauten Tata Trucks sind total überladen und haben keine Lenkhilfe, also wollen einige in der Mitte weiterfahren. Das Beast ist auch nicht gerade klein und so legen wir uns ab und zu mal mit einem Truck, Bus oder Taxi an, aber vom Verkehr in Indien wollen wir in einem anderen Blog berichten.

Die Landschaft jedoch ist grandios, wir durchfahren wilde Täler und eindrucksvolle Gebirgszüge, die Farben sind unbeschreiblich. Einmal glauben wir in einer Sandwüste zu sein, bizarre Felsformationen, von Wind und Wetter geformt, ragen in gelb und orange aus dem Sand und doch, wir können es kaum glauben, lugt darunter Eis hervor. Ist das ein Gletscher?

Auf den Passhöhen, die wir überqueren, einige davon über 5.000 m hoch, wehen die Gebetsflaggen der Buddhisten im Wind.

Entlang des Leh-Manali Highways gibt es einige Häusersiedlungen, die meisten Menschen dort bieten etwas für Reisende an. Dhabas sind kleine Restaurants, wo es landestypische Speisen für wenig Geld gibt und Ramesh, der Sohn von Bophram gab uns den Tipp, dort auch zu übernachten. Für 100 Rupien kann man im Hinterzimmer in einem Schlafsaal ein Bett haben. Wir ziehen es aber vor, irgendwo abseits der Straße im Dachzelt zu schlafen.

Endlich überqueren wir den Indus und erreichen Leh, die Hauptstadt Lakdaks. Auch die Indusbrücke ist mit unzähligen Gebetsflaggen behängt und wir steuern das Goba Guesthouse an, wo wir im Hof parken und campieren können. Die netten Leute dort begrüßen uns mit einem lauten „Jullee, Jullee“, dem Gruß der Buddhisten in Ladakh. Und wenn wir auch hier nicht so gut kommunizieren können, sorgt ein Jullee, Jullee  meist für eine aufgelockerte Stimmung.

In Leh findet gerade das alljährliche Ladakh Festival statt. Wir bleiben hier 5 Tage und genießen die Zeit hier sehr. Wir besuchen Nick Eakins, lassen uns zwei Polohemden und zwei Hoodies mit mybeastgoeseast besticken, besuchen ein Polospiel und das Food Festival. Auch wollen wir noch auf den höchsten befahrbaren Pass der Welt fahren, den Khardung La, lt. indischen Angaben 5.604 m hoch, gemäß anderen Quellen, jedoch „nur“ 5.360 m hoch. Auch hierfür benötigen wir eine Permit. Auf dem Rückweg wollen wir am Tso Moriri und am Tso Kar vorbei und auch hierfür sind Genehmigungen notwendig. Wir kaufen also eine Universalgenehmigung mit 7 Tagen Gültigkeit und fahren dann auf den Khardung La.

Der Morgen ist bedeckt und regnerisch, der Regen geht bald in Schnee über und oben auf dem Pass herrscht das blanke Chaos. Die Inder lassen die Luft aus ihren abgefahrenen Reifen und unterlegen bei ihren PKW`s irgendwelche Kordeln und Schnüre, LKW und Army ziehen Schneeketten auf. Auf der Straße ist dafür natürlich kein Platz und so staut sich der Verkehr kilometerlang. Es gibt niemanden der für Ordnung sorgt und ab und zu gibt es mal ein Handgemenge, von der Ruhe, Ausgeglichenheit und inneren Balance der Inder ist nicht viel zu spüren.

So sitzen wir im warmen Auto, kurz vor der Passhöhe und warten darauf, dass sich der Verkehr wieder einmal vorwärts bewegt, als plötzlich ein junger Mann, der von oben herab kommt, sich vor unserem Auto hinkniet. Er verharrt einige Minuten in dieser Position, schlägt sich mehrmals gegen den Kopf und geht dann weiter. Im Rückspiegel sehe ich, wie der dann zwei Fahrzeuge weiter zusammenbricht. Ich springe aus dem Auto und greife die Sauerstoffmaske, samt Flasche, die ich von Ronald abgekauft hatte und renne zu dem armen Kerl. Es sind schon einige Leute da und unser Sauerstoff nicht nötig. Ein Taxifahrer hat ihm bereits eine Maske aufgesetzt und ihn auf den Rücksitz des Taxi gelegt. Wir gehen dann wieder zurück zu unserem Auto.

Wir sind hier auf 5.300 m und die Höhe ist nicht zu unterschätzen, auch uns fällt das Atmen schwer und es fällt uns wieder die Geschichte ein, von den beiden deutschen Bergsteigern, die in China ihren Kameraden in der Nacht im Zelt auf „nur“ 6.200m verloren haben.

In Leh gibt es eine Oxygen Bar, dort kann man Sauerstoff konsumieren und sich ausruhen, auch wenn Leh vergleichsweise niedrig, auf 3.500 m liegt, wissen wir, dass dies nicht nur zum Spaß dort ist.

Um an den Tso Moriri zu gelangen, folgen wir dem Lauf des Indus, die Landschaft fasziniert uns und als wir den See mit dem letzten Tageslicht erreichen, zieht uns die Atmosphäre in ihren Bann. Wir campieren am Westufer, südlich der Ortschaft Karzok, dem Winterquartier der Nomaden.

Unser Schlafplatz liegt auf 4.700 m und lässt uns nicht gut schlafen, die Aussicht und die Landschaft entschädigt uns am Morgen für die Kopfschmerzen. Es geht wieder ein Stück zurück und nach dem Tso Kar zurück auf den Highway. In Keylong bleiben wir nochmal für zwei Tage und machen einen Ausflug zur Kardang Monastery. Die Aussicht auf die umliegenden 6.000er ist wunderschön und im Ort ist ein Festival, die Leute laden uns ein, ihre Speisen zu probieren. Momos, eine Art Maultaschen begeistern uns. Über Shimla und Chandigarh verlassen wir die Bergwelt Indiens in Richtung ihrer Hauptstadt, Delhi.

In Shimla, der ehemaligen Sommerhauptstadt der englischen Besatzer bleiben wir einige Tage und besichtigen auf dem Berg Jakhoo (2.453 m) einen Tempel und eine überdimensionale Hanuman Statue, dies ist eine hinduistische Gottheit in Gestalt eines Affen und auch in der Stadt wimmelt es von wilden Affen.

Von Shimla aus verkehrt auch die Schmalspurbahn Kalka-Shimla Railway, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, die aufgrund ihrer geringen Größe und der begrenzten Anzahl an Wagen auch Toytrain (Spielzeugbahn) genannt wird.

Der Betrieb auf diesen Strecken, auf denen unter anderem auch noch Dampfzüge verkehren, hat sich seit dem Bau der Strecken 1903 nicht wesentlich verändert, der Regelbetrieb ging quasi fließend in den Museumsbetrieb über. Auf eine Fahrt verzichten wir allerdings, da es kurz zuvor zu einem Unfall kam, bei dem zwei Britinnen ihr Leben verloren haben.

Zum Schluss besuchen wir die Stadt Chandigarh, dies ist eine Planstadt, die erst Mitte des 20. Jahrhunderts gegründet wurde. Im Sommer 1947 wurden Indien und Pakistan aus dem britischen Kolonialreich in die Selbständigkeit entlassen, was mit einer neuen Grenzziehung zwischen beiden Staaten verbunden war. Auch die Provinz Punjab wurde geteilt, wobei die Hauptstadt Lahore an Pakistan fiel. Daraufhin beschloss Indien die Errichtung eines neuen Regierungssitzes für den indischen Teil des Punjab. Als Standort wählte man ein Gelände in direkter Nachbarschaft zum Dorf Chandigarh, dessen Namen man auf die neue Stadt übertrug. Der Name leitet sich von der Göttin Chandi ab, der ein nahegelegener Tempel geweiht ist (garh bedeutet „Festung“).

Für die Errichtung einer neuen Hauptstadt wurden der amerikanische Städteplaner Albert Mayer und sein Partner, der Architekt Matthew Nowicki verpflichtet. Nachdem Nowicki 1950 tödlich verunglückte, schied auch Mayer aus der Planung aus. Nachfolger für die Planung wurde auf besonderen Wunsch Jawaharlal Nehrus, des Ministerpräsidenten Indiens, der Schweizer Architekt Le Corbusier. Der Grundstein für Chandigarh wurde 1952 gelegt.

Dort besichtigen wir den Rock Garden, den Skulpturgarten von Nek Chand, einem Road Inspector von Chandigarh, der 1957 damit anfing, skurril geformte Steine zu sammeln und aus Schrott und Abfall am Stadtrand des neuen Chandigarh im Verborgenen Skulpturen zu basteln.  Erst 1975 wurde sein Werk entdeckt, mittlerweile auf 49.000 m² herangewachsen, tummelten sich Skulpturen, Tänzer, Musiker, Tiere und Fantasiegestalten. Die Stadt schützte fortan das Gelände und machte es ab 1976 für die Öffentlichkeit zugänglich. Chand durfte seine Skulpturen u. a. in New York, Berlin und Paris ausstellen, wo er auch 1980, die große Verdienstmedaille des Bürgermeisters der Stadt Paris ‚Grande Médaille de Vermeil‘ erhielt, eine Auszeichnung zum Ritter im Orden der Künste. Indien widmete ihm 1983 eine Briefmarke.

Heute besuchen über 5000 Menschen täglich den Rock Garden und nach dem Besuch dieser Oase der Ruhe begeben wir uns wieder in das quirlige, bunte und laute Leben Indiens in Richtung ihrer Hauptstadt New Delhi.

 

Hindustan Times vom 13.09.2015

Hindustan Times vom 13.09.2015

Auf den Spuren meiner Brüder

Ich kam gerade in die Schule, als meine Schwester unser Elternhaus verlies. Zu diesem Zeitpunkt waren auch schon meine beiden ältesten Brüder Bernd und Jürgen längst aus dem Haus und lebten in Berlin. Für mich war das damals unglaublich weit weg und dann hieß es eines Tages plötzlich, die beiden sind mit ihren Freundinnen weiter nach Indien gezogen. Unsere Mama schickte manchmal zu Weihnachten eine Linzertorte nach Indien, was die beiden dort genau trieben haben wir Kinder in Schopfheim nie richtig erfahren. Und auch später, als Jürgen mit Pia und ihren beiden Kindern wieder in Schopfheim lebten, waren Berichte über die damalige Zeit eher eine Seltenheit.

Als wir uns Gedanken über unsere Reise machten und darüber grübelten wohin wir eigentlich reisen möchten, machte ich den Vorschlag nach Indien zu reisen. Ich wollte sehen, wo meine Brüder früher gelebt haben. Leider lebt weder Bernd noch Jürgen, Pia und die damalige Freundin von Bernd, Isolde wohnen beide im Norden der Republik und nur von Isolde bekamen wir einige Hinweise über die damaligen Wohnorte.

Am 08. September ist es dann soweit, wir reisen nach Indien ein. Über die Wagha Border kommen wir von Pakistan nach Amritsar, die Stadt der Sikh. Dort akklimatisieren wir uns an Indien, campen 5 Tage in Mrs. Bhandaris Guesthouse, besuchen den goldenen Tempel und dann machen wir uns auf, in das Kullu-Manali Valley. Nach den Angaben von Isolde haben sie dort in einem Dorf names Haripur gelebt. Der Vermieter hieß Bhopram, weitere Informationen haben wir nicht.

Wir erreichen Haripur am frühen Nachmittag, es ist immer noch ein kleines Dorf im Tale des River Beas, ca. 15 km südlich von Manali. Es liegt auf der anderen Flussseite des National Highway 21 und schmiegt sich sanft an einen Berghang. Was nun? Zuerst wollen wir einen Platz zum Campen finden und uns dann auf die Suche nach Bhopram machen, wir fragen zuerst in einem Camp an der Dorfstrasse. Es sieht zwar geschlossen aus, aber es arbeiten ein paar Leute. Die Kommunikation ist schwierig, hier wird nur Hindi gesprochen. Einer gibt uns dann aber zu verstehen, dass wir hier nicht übernachten können. Als nächstes versuchen wir es in einer Cottage Siedlung, auch hier ist es schwierig zu kommunizieren, aber nach mehr als einer Viertelstunde wird der Owner herangeholt und wir erzählen ihm, das wir hier ein paar Leute suchen und, ob wir hier im Garten campen können. Nein, leider nicht, aber wir könnten einen Room für 5.000 Rupie pro Nacht mieten. Nein, das wollen wir doch dann auch nicht und Stefan fragt ihn, ob er hier jemanden kennt, der Bhopram heißt und der vor ca. 35 – 40 Jahren hier ein Haus vermietet hat. Er fragt seinen Angestellten, der aus Haripur stammt und sagt uns dann, dass er einen Bhopram kennt, sein Mitarbeiter würde uns zu seinem Shop bringen, aber wahrscheinlich sei die Kommunikation schwierig, Bhopram würde nur die hiesige Sprache sprechen. Wir könnten ihn dann aber gerne anrufen.

Wow, wir sind überrascht. Die erste Nachfrage schon ein Treffer? Das wäre ja zu einfach. Gespannt gehen wir dem Angestellten hinterher, bis zu Bhoprams Shop sind es zu Fuß vielleicht 10 Minuten. Der Angestellte sagt einige Worte zu einem kleinen Mann mit kurzen grauen Haaren. Stefan flüstert mir zu: “Nein, das ist nicht der Richtige, der ist zu jung.“

Dann wenden wir uns an Bhopram, ich sage zu ihm, dass meine Brüder Bernd und Jürgen hier gewohnt haben, vor vielen Jahren und, dass wir Bhopram, den Vermieter von Bernds Haus suchen und ob er das vielleicht sei.

Er schaut uns eigentümlich an.

„Yes.“

„Bernd and Isolde, Jürgen and Pia. I know them“

Wir sind platt, ein Volltreffer. Wir kriegen eine Gänsehaut. Wir stehen vor dem Mann, bei dem Bernd und Isolde mit meinem Cousin Marcel vor über 35 Jahren gewohnt haben. Ohne Zögern fallen Bhopram die Namen ein, als ob das erst letzten Monat und nicht vor mehr als 3 Jahrzehnten gewesen sei.

„Ich bin die Schwester von den beiden, wir sind hier, um zu sehen, wo die beiden früher gelebt haben.“

Er will wissen, ob Jürgen noch lebt. Dass Bernd bereits 1989 gestorben ist, weiß Bhopram. Als wir ihm sagen, dass auch Jürgen an Ostern 2013 gestorben ist, ist Bhopram sehr betroffen. Er ist gleichalt wie Jürgen.

Wir sollen mitkommen, in sein Haus. Er schließt seinen Gemüse- und Lebensmittelladen und geht mit uns zu seinem Haus, in dem er mit seiner Frau, seiner jüngsten Tochter und seinem ältesten Sohn und dessen Familie lebt. Im Erdgeschoss leben seine Eltern mit seinem jüngsten Brüder und seinen  beiden Söhnen.

Das Haus ist direkt neben dem Haus, das er früher an Bernd vermietet hatte. Dort wohnt jetzt die Familie seines Bruders.

Wir bekommen Tee und er stellt uns allen vor. Keine Frage wir schlafen hier. Bhopram räumt sein Schlafzimmer für uns und wir können hier 4 Tage bleiben. Nach dem Abendessen erzählt uns Bhopram viele alte Geschichten, wie es war, als die Hippies aus Europa kamen. Wie das Leben und die Umstände damals im Dorf waren. Er holt ein altes Fotoalbum heraus und zeigt uns Bilder, es ist erstaunlich wie er noch die Namen parat hat. Im Nachbardorf leben noch immer Leute von damals. Mario und Louise, ein deutsch-britisches Pärchen, Nick aus England und eine Schweizerin, die sei aber erst viel später gekommen.

Wir sind ergriffen, hier in der indischen Bergwelt, in dieser Stube Bilder von meinen Brüdern gezeigt zu bekommen.

Bhopram rutscht etwas näher zu uns und fangt leise an zu erzählen, dass er vor zwei Tagen geträumt hätte, dass Isolde und Pia nach Haripur gekommen seien und er aber mit dem Traum nichts anzufangen wusste, bis heute.

Dann schaut er mich lange an und sagt, dass er Bernd in mir erkennt und fragt mich, ob ich weiß wie er gestorben sei. „Nein, nicht richtig“, dann erzählt er uns, was er weiß und das war viel mehr, als ich jemals zu vor gehört hatte.

Spät gehen wir ins Bett, wir sind müde und voller Emotionen. Die Gefühle von heute sind nicht zu beschreiben. Ich bin sehr froh, dass wir hierhergekommen sind.

Am nächsten Morgen warten wir auf Bhopram, um gemeinsam zu frühstücken. Er hat jeden Morgen denselben Ablauf. Nach dem Aufstehen geht er in den Tempel um zu beten und um 30 Minuten Yogaübungen zu machen, dann geht er in den Laden, um sauber zu machen und alles vorzubereiten und dann kommt er zurück zum Haus, um sich zu waschen und dann zu frühstücken.

Heute wollen wir in das Nachbardorf Dasi gehen, Jürgen und Pia hatten dort ein eigenes Haus gemietet, wo sie zusammen mit Chandra, ihrer Tochter gewohnt haben.

Ramesh, Bhoprams Sohn begleitet uns und auch er muss sich ein wenig durchfragen, wo sich das Haus genau befindet. Es liegt am oberen Ortsrand und wie es aussieht, wird es gerade umgebaut. Ramesh ruft am Nachbarhaus und ein junges Mädchen kommt heraus. Es ist die Enkelin von Devi, der Vermieterin von Jürgens Haus. Ihre Oma ist auf der Baustelle und dort treffen wir sie dann.

Sie kommt aus dem Haus zu schlurfen, das Gesicht faltig und braungebrannt, sie trägt viele goldenen Ohrringe und ein Kopftuch. Über ihrem Kleid trägt sie den traditionellen Kullu Shawl mit Karomustern. Sie mustert uns eine Zeit lang und ich sage ihr dann, dass ich die kleine Schwester von Jürgen bin.

Trotz ihrer 81 Jahre kann sie sich sofort an die damalige Zeit und an Jürgen und Pia erinnern. Auch an die kleine Tochter Chandra. Sie half Jürgen damals, das kleine Kind zu versorgen, als Pia in Italien 2 Jahre wegen Drogenschmuggel einsaß.

Sie trägt ihrer Enkelin auf im Haus etwas zu holen und diese kehrt nach kurzer Zeit mit einer Fotocollage zurück. Die alte Frau wischt darüber und schaut es lange an und scheint in Erinnerungen zu schwelgen, sie sagt, dass sie noch einige Jahre lang ab und zu Post und Fotos bekommen hätte, dass das dann aber irgendwann aufgehört hätte. Auch sie möchte wissen, wie es Jürgen geht und ist sehr betroffen als sie erfährt, dass er bereits gestorben ist.

Wir dürfen noch einige Fotos mit ihr machen und verabschieden uns dann von ihr.

Auch hier hatten wir wieder ein bleibendes Erlebnis.

Tags darauf fahren wir mit Ramesh nach Manali. Wir benötigen für die Fahrt nach Leh eine Genehmigung, die wir nur in Manali bekommen und er ist uns bei den Behördengängen behilflich.

Nachdem wir dort alles erledigt haben, trinken wir noch einen Kaffee und auf dem Weg durch die City von Manali machen einen kurzen Stopp in einem Outdoor Shop, da der Eigentümer des Ladens auch aus Haripur ist. Ramesh erzählt ihm kurz, wer wir sind und was wir in Haripur machen, dann sagt uns Sunil,  dass er meinen Cousin Marcel kennt. Er und Subhash, Rameshs Onkel hätten immer mit ihm gespielt. Jeder im Dorf wollte mit Marcel spielen, da er ein Fahrrad hatte.

Wir sind wieder platt, wie sich die Menschen hier an die damalige Zeit erinnern können.

Ein Engländer names Nick, der zeitweise immer noch hier wohnt, sei gerade in Leh. Er ist mittlerweile ein bekannter Photograph hier, der viele Bücher, Landkarten und Postkarten über Ladakh veröffentlich hat. Bhopram sagt uns, dass er Bernd und Jürgen auch sehr gut gekannt hat und er in Leh wahrscheinlich im Hotel Oriental abgestiegen ist.

Einige Tage später versuchen wir dort unser Glück und treffen tatsächlich Nick Eakins, nachdem wir zuvor einen anderen Nick aus England in seinem Zimmer im Hotel Oriental mit unseren Fragen überfordert hatten.

Nick ist überrascht und freut sich als wir ihm erzählen wer wir sind und was wir hier machen. Am nächsten Morgen verabreden wir uns zum Frühstück und er erzählt uns eine Menge aus der damaligen Zeit.

Er hat in Thailand geheiratet (not a barmaid)und verbringt jeweils ein halbes Jahr dort und das Andere in Indien.

Ich bin sehr glücklich, die Reise nach Haripur unternommen zu haben und all diese Menschen getroffen zu haben, die so lange Zeit ein Teil des Lebens meiner Brüder waren. Traurig bin ich darüber, dass ich es weder ihnen noch meiner Mama berichten kann.