Die Iraner feiern ihr Neujahrsfest und das bedeutet für uns, dass es vorerst kein Visum gibt. Die türkische Schwarzmeerküste und die Stadt Trabzon, wo wir bereits eine Woche zugebracht haben, halten nicht so viel bereit, dass wir hier weiter warten wollen und so sagen wir „Gülle Gülle Türkiye“ und verlassen die Türkei nach mehr als drei Monaten in Richtung Georgien.
Wir fahren die Schwarzmeerküste entlang bis Sarp und reisen dort nach Georgien ein. Für die beiden ehemaligen GUS Staaten Armenien und Georgien benötigen EU-Bürger kein Visum und so reisen ziemlich unkompliziert und schnell nach Georgien ein. Zuerst tauschen wir etwas Geld (georgische Lari) und tanken voll, der Sprit kostet ca. 80 €-Cent je Liter, dann fahren wir weiter nach Batumi. Das ist die drittgrößte Stadt Georgiens und hat im Botanischen Garten einen Campingplatz, dieser liegt direkt am Strand, nur durch ein Bahngleis getrennt, dafür mit eigenem Bahnhof. Von hier aus kann man mit dem Zug in die Stadt fahren. Am Abend finden wir in Batumi eine nette kleine Brauerei mit Gaststätte, wo wir lecker essen. Es gibt Kebab, Khachapuri und Khinkali, das sind Teigschiffchen mit Käse und Ei, bzw. gefüllte Teigtaschen. Das Bier schmeckt auch sehr süffig und heißt „Golden Vlies“ oder „Argo“. In der griechischen Mythologie sollen Iason und seine Argonauten hier das goldene Vlies dem König Äetes geraubt haben.
Von einem goldenen Vlies ist heute in Batumi nichts mehr zu sehen, aber das wurde ja auch geraubt. Zwar versprechen die zahlreichen Casinos hier satte Gold- und Geldgewinne, aber ein Großteil des Stadtbildes lässt uns erahnen, wie es wohl in der Sowjetunion in den 60-Jahren ausgesehen haben muss. In der Nacht leuchtet aber die Küste von Batumi wie Las Vegas.
Da auch hier noch kein Badewetter herrscht verlassen wir die Küste des Schwarzen Meeres und steuern die Hauptstadt Tiflis an, wo wir im Old Town Hostel einchecken. Von hier aus erkunden wir die Altstadt, den Freiheitsplatz, die Friedensbrücke, die Rustaveli Avenue, die Synagoge und die Antschischati Kirche. Im historischen Bäderviertel gönnen wir uns noch ein privates Schwefelbad mit Schrubben und anschließender Massage. Der Masseur für die Männer ist etwas grobschlächtig und nach der Entspannungsmassage brauche ich zwei Tage lang Ibuprofen.
Hier hören wir auch, dass Deutschland in der EM-Qualifikation in Tiflis spielt und als wir am Stadion Eintrittskarten kaufen, entdecken wir direkt daneben das „State Silk Museum“. Für uns, die wir auf der Seidenstraße fahren, ist ein Besuch natürlich Pflicht. Das Gebäude ist alt und innen ziemlich heruntergekommen, eine nette junge Dame empfängt uns, kassiert den Eintritt und macht eine private Führung, wir sind die einzigen Besucher. Sie erklärt uns, dass es hier ab 1887 eine Produktionsstätte für Seide war, aber das Museum schon zu Produktionszeiten eröffnet wurde. Leider wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und in den darauffolgenden Bürgerkriegen alles zu Geld gemacht, was nicht niet- und nagelfest war. Es ist sehr interessant zu hören, wie die Raupen gezüchtet wurden und was aus der Seide alles hergestellt wurde.
Bis zum Anpfiff im Dynamo-Stadion am Sonntag sind es noch vier Tage und die nutzen wir, um über den großen Kaukasus zur russischen Grenze zu fahren. Hier verspricht der „Georgian Military Highway“ einiges an Abenteuer und so packen wir zusammen und fahren auf der Straße, die Russland mit Georgien verbindet in Richtung der russischen Stadt Vladikavkaz. Wir passieren das Skigebiet Gudauri und den Jvari Pass (2.395 m), ab dort geht es wieder abwärts in Richtung Kazbegi, dem heutigen Stepanzminda, aber es kommen nun die abenteuerlichsten Tunnels, die wir bisher gesehen haben. Alle sind unbeleuchtet und mit riesigen Schlaglöchern gesegnet, die Höhe beträgt 4,01 m und die LKW fahren nicht einmal Schritttempo. Die LKW werden einzeln hereingewinkt und durchgelotst, es ist Millimeterarbeit. Im grenznahen Ort Kanobi werden die LKW, die nach Russland wollen, abgefertigt und davor bildet sich eine LKW-Schlange, soweit das Auge reicht. Die Fahrer harren auf ca. 2.000 m, zum Teil in uralten russischen LKW´s die ganze Nacht aus und warten, bis sie an der Reihe sind. Wir übernachten in einem kleinen Ort namens Juta in einem Seitental auch auf ca. 2.000 m mit Blick auf den Berg Kazbeg (5.047 m), dies ist der dritthöchste Berg Georgiens und ein beliebtes Postkartenmotiv.
Zum Länderspiel sind wir wieder zurück in Tiflis und treffen nun auch auf einige deutsche Fußballfans. Im Envoy Hostel treffen wir Dirk aus Essen und seine Reisekumpel Lukas aus Brasilien. Dirk ist HSV Mitglied, aber auch zufällig in Tiflis, er reist jedes Jahr 3 Monate durch die Welt, dies hat er in seinem Arbeitsvertrag fest verankert. Mit beiden besuchen wir am Abend das Länderspiel und freuen uns über den 2:0 Sieg unserer Mannschaft.
Das Envoy Hostel liegt unterhalb der Festung Narikala und die Straße geht hier äußerst steil bergauf, der Belag ist Kopfsteinpflaster und bei Regen glatt wie Eis. Am Nachmittag kommen wir aus der Stadt und erklimmen den Weg zum Hostel, auf der Seite steht ein Auto halb auf der Treppe, halb auf der Straße. Wie sich herausstellt wollte der Fahrer hier hochfahren ist jedoch seitlich weggedriftet und auf die Treppe gerutscht und nun kommt er hier nicht mehr weg. Die zwei Fahrer sind völlig aus dem Häuschen und es sind bereits einige Zuschauer da. Einer fragt uns, ob wir ihm helfen können und ich parke unser Auto um und ziehe ihn mit der Seilwinde die Straße hinauf. Ein Mitarbeiter aus dem benachbarten Café, der das Ganze filmt meint zu dieser Bergungsaktion: „You must be Spiderman for them.“ Gerade als wir fertig sind kommt der offizielle DFB Fanclub die Straße hoch und ihr Kameramann filmt zumindest noch unser Auto.
Am nächsten Morgen verlassen wir Tiflis und Georgien wieder weiter nach Südosten in Richtung Armenien. Auch hier verläuft die Grenzabfertigung relativ problemlos, nur als wir den Zollhof verlassen wollen, muss noch einer die Papiere checken und fragt ständig nach einem Broker. Wir verstehen nicht, was er will und bleiben einfach mal stehen, dann wird er aber unfreundlich und zeigt uns an, dass wir zu einer Baracke gehen sollen und zwar davaj, davaj.
Dort sitzen die Broker, ein Zöllner und ein Kassierer und Geldwechsler. Einer kann auch englisch und sagt uns, dass wir eine Zollgebühr, Straßenmaut und Ökologieabgabe plus seine Kommission, alles in allem 50 Euro zu zahlen hätten. Die Prozedur dauert ca. 20 Minuten, dann schließen wir hinter dem Zollhof noch eine Kaskoversicherung ab. Diese soll für 10 Tage zuerst 25 US$ kosten, ich schreibe das auf und sage ihm, dass ich in die Nachbarbuden gehe und noch dort nachfrage, dann sagt er, ok für Deutsche kostet es nur 10 US$. Dann tauschen wir einen 10$-Schein gegen die Police und fahren in Richtung Sevan See.
Die Straßen hier sind noch schlechter, die Luft ist stickig und das Wetter schlecht. Wir erreichen die Stadt Sevan am späten Nachmittag. Hier sieht es so trostlos aus, dass wir weiterfahren, aber erstmal nur bis Tsaghkadzor. Ich bin zu müde, um nach Yerevan durchzufahren. Tsaghkadzor ist ein Skiresort und Olympiastützpunkt der Wintersportathleten von Armenien. Im Moment wirkt der Ort aber wie ausgestorben und wir mieten uns im Hotel Multi Rest House ein. Eine gute Adresse, es gibt Schwimmingpool, Fitness, SPA und Frühstück für ca. 35 €.
Interessehalber frage ich nach wie die Preise für ein Doppelzimmer über Weihnachten und Neujahr sind. Die nette Dame an der Rezeption erklärt mir, Standartzimmer für 14 Tag mit Frühstück, Pool, Fitness, Tennis, WiFi, Kidsclub, Parking und Transfer zur Seilbahn gibt es für 1.000 Euro. Das wäre doch mal eine Alternative zur Schweiz oder Österreich. Für die abendliche Unterhaltung ist hier auch gesorgt, es gibt zahlreiche Restaurants, Kasinos, Discotheken und Nightclubs.
In Yerevan suchen wir die iranische Botschaft und treffen dort am Eingangstor einen Mitarbeiter, wie sich herausstellt ist er für die Visaerteilung zuständig und freundlicherweise prüft er für uns den Status unserer Referenznummern. Leider sind diese noch nicht da und wir schreiben nochmal eine deutliche E-Mail an die Agentur, wo wir die Nummer beantragt haben.
In der Zwischenzeit machen wir nochmal einen dreitägigen Ausflug in das Umland von Yerevan und besichtigen den Mihr-Tempel bei Garni, die Klöster Geghard und Khor Virap und den Nationalpark Khosrov, sowie die antike Stadt Artashat und die Kathedrale von Etschmiadsin in der Stadt Vaghershapat.
In der ersten Nacht finden wir eine tollen Lagerplatz an einem Stausee und am Abend scheint für einen kurze Moment die Sonne in das Tal, die Berge erscheinen blutrot, es ist ein Gänsehautmoment. Ergriffen machen wir ein Lagerfeuer und braten Kartoffeln, Paprika und Zwiebeln, dazu gibt es Eier, Käse und Rotwein.
Die zweite Nacht verläuft anders, wir wollen in der Nähe des Nationalparks unser Zelt aufschlagen, aber ein unfreundlicher Ranger schickt uns weg, beim zweiten Versuch finden wir einen Platz. Am Abend kommen einige alte russische Militärjeeps daher. Mit dem ersten unterhalten wir uns mehr recht als schlecht. Wir wissen nicht was er will. Wir verstehen, dass er 8 Kinder hat und Kräuter sammeln muss, er war Soldat im Krieg und Dram (armenische Währung) und Dollar. Wir glauben, dass er uns anbettelt und reden irgendwas daher und fragen ihn, ob einen Cay möchte. Er versteht uns auch nicht, dann wir es dunkel und vom Berg kommen einige Leute herunter, alle mit Säcken beladen. Jetzt verstehen wir etwas mehr. Er wartet hier auf seine Familie, die hier Kräuter gesammelt haben und diese wollen sie gegen Dram verkaufen. Auch kommt ein kleiner, aufgeweckter Mann mit Hund und Stock herunter. Er redet mit allen Leuten und als alle weg sind steht er noch alleine da. Er lehnt an unserem Auto und fragt: “Maschine? Aleman?“ Wir versuchen eine Unterhaltung und er sagt: “Kaffee“, wir bieten einen an, aber er will uns einladen. Nachdem wir ihn fragen wie weit es bis zu seinem Haus ist, gehen wir mit ihm. Er wohnt alleine, hat 4 Hunde und heißt Warosch. Er macht Kaffee auf einem Heizgerät, die Lichter gehen für einen Moment aus, als er es einschaltet. Aus der Wand kommt eine abenteuerliche Kabelkombination, aber er hat Telefon, Strom, Kühlschrank, alles was man braucht. Nach dem Kaffee bietet er uns an bei ihm zu schlafen, wir geben aber zurück zum Auto. Er begleitet uns mit einem seiner Hunde und schenkt uns zwei Fladenbrote für das Frühstück.
Am Morgen packen wir zusammen und fahren gemütlich zurück nach Yerevan, wieder zu Mr. Hostel und in der Nacht auf Ostersonntag erhalten wir eine E-Mail mit der lang ersehnten Referenznummer. Am Sonntag schauen wir uns das Cafesjian Center For The Arts an und erwischen den Berg Ararat das erste Mal ohne Wolken.
Morgen gehen wir zum iranischen Konsulat und erreichen hoffentlich bald Land Nummer 15 unserer Reise.